Vor wenigen Wochen habe ich mich im Schreiben meiner Dissertation auf LaTeX umorientiert. Diese Entscheidung erwuchs nicht vorrangig aus der Einsicht in die Vorteile des Systems. Die mögen für den Autor einer Dissertation in Alter Geschichte sowieso kaum hoch sein, denn unterm Strich liegt der Vorzug nur in Bezug auf die Länge des zu produzierenden und zu verarbeitenden Textes auf der Hand. Was später der Verlag dazu sagt, ist noch einmal etwas völlig anderes. Nein, es ist vielmehr zum einen die übliche Portion Neugier auf etwas anderes, neues. Zum anderen und überwiegenden Teil ist es aber das Verlangen nach klaren Prozessen, Modulen und Strukturen, ja es liegt der Entscheidung gar ein Verlangen nach Minimalismus zu Grunde. Denn die Reduktion auf die basalen Elemente der Textverarbeitung, schlicht, auf den reinen Text an sich befriedigt meinen täglichen Bedarf an einer minimalistischen Grundeinstellung ungemein und kann so auch in schwierigen Schreibphasen zu einer dennoch positiven Einstellung beitragen. Das klingt freilich abgehoben. Aber die Beschäftigung mit, sowie das Produzieren und Verarbeiten von Text spielt sich immer auf verschiedenen Metaebenen ab, von denen definitiv eine mit Ästhetik zu tun hat. Sie war auch ein wesentliches Anliegen des Erfinders von TeX, Donald E. Knuth. So kann die Entscheidung für LaTeX und gegen Word o.ä. nie allein auf rationalen Erwägungen aufruhen. Die verbleibende Restunsicherheit wird auf einer ganz anderen Eben getilgt, nämlich auf der ästhetischen. Und diese kann getrost zugelassen werden, auch dann, wenn man intuitiv beginnt, seine Entscheidung vor anderen zu verteidigen. Nun ist Apologie in Bezug auf LaTeX im naturwissenschaftlichen Bereich schon längst nicht mehr nötig, von hier rekrutiert sich ja die größte Klientel der Nutzer. Es geht vielmehr um die Geisteswissenschaftler und ihre Schreib- und Publikationstätigkeit. Sie sind nämlich die Textproduzenten, die das Produkt oder auch das Ausgangsmaterial hierfür am ehesten noch von ihrer ästhetischen Seite wahrnehmen – auch wenn einige dies verleugnen. Nicht selten druckt man sich die eine oder andere soeben fertiggestellte Seite aus und nimmt die Proportionen des Textes wahr, etwa das Verhältnis von Haupttext zu Fussnoten (dem Fetisch [geistes-]wissenschaftlicher Arbeit) oder das Aussehen des Quellenzitats. Von diesem Ergebnis her betrachtet ist LaTeX selbstverständlich unangefochten. Dem Schreibprozess an sich unterliegt aber bereits ebenfalls ein Reiz, dessen Begründung sich wohl vor allem darin erschließt, dass man es scheinbar mit ‚Handarbeit‘ in verstärktem Masse zu tun hat. Überspitzt: die Produktion von Text nimmt schier archaische Züge an. Womit ich wieder bei der Alten Geschichte wäre. „Ad fontes!“ könnte gut ein Aufruf zur Nutzung von LaTex sein.