Die stupide Begeisterung des Menschen für die Phänomene des Himmels, zumal wenn sie eine sichtbare Korrespondenz mit den irdischen topographischen Gegebenheiten betreiben, ist vermutlich so alt, wie er selbst. Und genügt die rauhe Felsspitze nicht mehr, die seit Generationen den längsten Tag oder ähnliches anzeigte, dann wird eben eine künstliche errichtet – Stonehenge ist nur ein bescheidenes Zeugnis davon, wohl aber eines der bekanntesten.

Manhattan ist mit seiner zur reinen Monumentalität geronnenen Architektur, vor allem aber wegen seinem geradlinigen, reißbrettartigen Straßennetz geradezu prädestiniert hier ebenfalls die Häuserschluchten nach Sonnenuntergängen abzusuchen. Und wenn das überirdische Licht (Barbara Honigmann) sich dann tatsächlich in die Täler Manhattans hinabsenkt, erhält man schnell ein ähnliches Phänomen, wie Stonehenge es zu bieten hat. Es nennt sich dann Manhattanhenge und läßt sich mehr oder weniger zuverlässig am 28. Mai und am 12. oder 13. Juli beobachten, von der Eastside hinüber zur Westside. 2002 vom Astrophysiker des American Museum of Natural History, Neil deGrasse Tyson, benannt und der Öffentlichkeit preisgegeben erfreuen sich jährlich zahlreiche Beobachter und natürlich Photographen an diesem Phänomen.

Nun ist das neue iPhone 4 also vorgestellt und Steve Jobs konnte ein weiteres Mal in Guru-Manier die Consumerbranche multimedialer Gadgets trotz desLC2 von LeCorbusier vorher bereits enthüllten Designs überraschen. Aber gerade wenn der Fokus eines Liebhabers elektronischen Spielzeugs auf dem Design liegt, dann barg die heutige Keynote wenig Neues. Sei es wie es sei, ihm ist dennoch ein gestalterischer Wurf gelungen, der ein weiteres Mal von der Technikbranche wie der weltweiten Anwendergemeinde geliebt werden

wird. Abgesehen davon sass Steve Jobs wiederum in einem Sessel von LeCorbusier, einem LC3. Und es tut gut zu sehen, dass Stil und Geschmack nicht nur in das Design der Geräte ganz wesentlich einfliessen, sondern auch bei den Präsentationen derselben angewandt werden. Eine Alternative zum LC3 kann und will ich mir für Jobs‘ Präsentationen garnicht vorstellen. LeCorbusier gehört damit gleichsam zum Corporate Design von Apple, und das passt.

Vor wenigen Wochen habe ich mich im Schreiben meiner Dissertation auf LaTeX umorientiert. Diese Entscheidung erwuchs nicht vorrangig aus der Einsicht in die Vorteile des Systems. Die mögen für den Autor einer Dissertation in Alter Geschichte sowieso kaum hoch sein, denn unterm Strich liegt der Vorzug nur in Bezug auf die Länge des zu produzierenden und zu verarbeitenden Textes auf der Hand. Was später der Verlag dazu sagt, ist noch einmal etwas völlig anderes. Nein, es ist vielmehr zum einen die übliche Portion Neugier auf etwas anderes, neues. Zum anderen und überwiegenden Teil ist es aber das Verlangen nach klaren Prozessen, Modulen und Strukturen, ja es liegt der Entscheidung gar ein Verlangen nach Minimalismus zu Grunde. Denn die Reduktion auf die basalen Elemente der Textverarbeitung, schlicht, auf den reinen Text an sich befriedigt meinen täglichen Bedarf an einer minimalistischen Grundeinstellung ungemein und kann so auch in schwierigen Schreibphasen zu einer dennoch positiven Einstellung beitragen. Das klingt freilich abgehoben. Aber die Beschäftigung mit, sowie das Produzieren und Verarbeiten von Text spielt sich immer auf verschiedenen Metaebenen ab, von denen definitiv eine mit Ästhetik zu tun hat. Sie war auch ein wesentliches Anliegen des Erfinders von TeX, Donald E. Knuth. So kann die Entscheidung für LaTeX und gegen Word o.ä. nie allein auf rationalen Erwägungen aufruhen. Die verbleibende Restunsicherheit wird auf einer ganz anderen Eben getilgt, nämlich auf der ästhetischen. Und diese kann getrost zugelassen werden, auch dann, wenn man intuitiv beginnt, seine Entscheidung vor anderen zu verteidigen. Nun ist Apologie in Bezug auf LaTeX im naturwissenschaftlichen Bereich schon längst nicht mehr nötig, von hier rekrutiert sich ja die größte Klientel der Nutzer. Es geht vielmehr um die Geisteswissenschaftler und ihre Schreib- und Publikationstätigkeit. Sie sind nämlich die Textproduzenten, die das Produkt oder auch das Ausgangsmaterial hierfür am ehesten noch von ihrer ästhetischen Seite wahrnehmen – auch wenn einige dies verleugnen. Nicht selten druckt man sich die eine oder andere soeben fertiggestellte Seite aus und nimmt die Proportionen des Textes wahr, etwa das Verhältnis von Haupttext zu Fussnoten (dem Fetisch [geistes-]wissenschaftlicher Arbeit) oder das Aussehen des Quellenzitats. Von diesem Ergebnis her betrachtet ist LaTeX selbstverständlich unangefochten. Dem Schreibprozess an sich unterliegt aber bereits ebenfalls ein Reiz, dessen Begründung sich wohl vor allem darin erschließt, dass man es scheinbar mit ‚Handarbeit‘ in verstärktem Masse zu tun hat. Überspitzt: die Produktion von Text nimmt schier archaische Züge an. Womit ich wieder bei der Alten Geschichte wäre. „Ad fontes!“ könnte gut ein Aufruf zur Nutzung von LaTex sein.

Nun habe ich wohl endgültig meine Liebe zu Piano Trios entdeckt. Die gelungene Kombination aus Piano, Violine und Cello ist für meinen Geschmack sehr klangvoll und erschließt mir die Welt der klassischen Musik völlig neu. So bin ich auch gleich mit Saint-Saënt eingestiegen und verfalle dem Piano Trio Nr. 2 in e-Moll, Opus 92 immer wieder. Im Internet stößt man auf der Suche nach einem Internetstream schnell auf den neu eingerichteten Kanal von sky.fm: Classical Piano Trios. Mit Genugtuung nahm ich dann auch wahr, daß er aus New York ’sendet‘.

Manhattan als Diagnose und der Hang zum Schreiben – beides versucht sich in diesem Blog zu verbinden.